Ich bin bei meinem Versuch meine Bubble zu verlassen und andere Sichtweisen kennenzulernen auf diesen Artikel vom Focus gestoßen. Die Ergebnisse meiner Exkursion werde ich hier vorstellen.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung sowie die Verbände Familienunternehmer und Junge Unternehmer haben 40 Schulbücher der Fächergruppen Wirtschaft, Politik, Sozialwissenschaften, Wirtschaft, Geschichte und Geografie untersuchen lassen.

Ich hätte hier noch erwähnt, dass die Friedrich-Naumann-Stiftung zur FDP gehört, aber an erst mal nur ein kurzer Überblick.

Die Studie war sehr aufwändig und erfolgte mit Methoden der quantitativen Inhaltsanalyse. Sie erscheint demnächst, mir liegt die Entwurfsfassung bereits vor.

Zu der Studie kann ich dementsprechend noch nichts sagen.

Das Ergebnis: Unternehmerisches Denken und Unternehmerpersönlichkeiten kommen nur am Rande vor. „Dies gilt jedoch nicht für den Staat: Er tritt in den Büchern als universeller und häufig als paternalistischer Problemlöser auf.“

Ok, das ist doch schonmal eine interessante These.

Insgesamt, so die Autoren über die Schulbücher der Fachgruppe Wirtschaft-Politik, „finden wir ein sehr begrenztes, teilweise Karikatur ähnliches Zerrbild von Unternehmern“.

Für Schulbücher der Fächergruppe Geschichte gilt, dass die Darstellung von historischen Unternehmern „primär der Darstellung von Missständen dient, die angeblich durch den ‚freien Wettbewerb’ sowie die zweifelhaften Charaktereigenschaften der Unternehmer“ entstanden seien.

Sehe nicht, was hier dran falsch sein sollte. Um eine Zeit zu verstehen, muss man verstehen, was für Probleme die Menschen beschäftigt haben und wie die Menschen lebten. Und das Unternehmer Profit machen wollen ist denke ich keine kontroverse These.

Technischer Fortschritt? Er fällt häufig vom Himmel, erzeugt vor allem Probleme, die dann natürlich vom Staat gelöst werden müssen.

Wieso sollten in Geschichte Technologische Fortschritte erklärt werden? Es ist lediglich wichtig zu wissen, welche Fortschritte es zu der Zeit gab und wie sich diese auf das Leben der Menschen ausgewirkt haben. Der Name des Erfinders und des Unternehmens, dass den Erfinder abgezogen hat, sind nicht wichtig.

Deshalb ist Geschichte ja auch ein Gesellschaftswissenschaftliches Fach. Weil es sich mit der Gesellschaft beschäftigt. Die Funktionsweise und die Erfinder von Erfindungen wurden bei uns in den Naturwissenschaften behandelt.

Die Naturwissenschaften wurden allerdings nicht in die Studie mit einbezogen. Natürlich entsteht da der Eindruck die Erfinder würden nicht gewürdigt werden, wenn man die Würdigungen raus lässt.

Moderne Aspekte der ökonomischen Globalisierung würden zum Teil monokausal und einseitig negativ dargestellt, wenn Themen wie Lohndumping und Klimawandel im Vordergrund stehen.

Jetzt bin ich gespannt. Wo sind die positiven Aspekte von Lohndumping und Klimawandel?

Die Aufgaben, die die Schüler zu lösen haben, erfordern wenig Wissen, aber viel Meinung: „Betrachtet man das den Aufgaben zugrunde liegende Material, sollen wirtschaftliche Fragen häufig ohne fachlichen Hintergrund (Sachinformationen) bearbeitet werden. Nicht selten wird eine (politische) Positionierung erwartet (…) ohne, dass eine sachliche Auseinandersetzung vorgenommen wird.

Es sind fucking Schulbücher. Tut mir leid, dass da nicht jede ökonomische Theorie von Marx bis Rothbard gelehrt wird, bevor Aufgaben bearbeitet werden. Wobei der Focus wahrscheinlich eine Hetzkampagne fahren würde, wenn Marx auch nur im Unterricht erwähnt würde.

Im Mittelpunkt steht offenbar die Debattenfähigkeit im Sinne der Befähigung zur politischen Partizipation – allerdings zumeist losgelöst von tiefergehenden Inhalten und ökonomischen Kompetenzen.“

Wie gesagt: Schüler.

Schüler sollen beispielsweise Vorschläge machen, was die Unternehmen in Bangladesch tun könnten, um Näherinnen besser zu bezahlen.

Das sit doch was gutes, richtig? Richtig?

Eine andere Aufgabe lautet: „Diskutiert in der Klasse, ob ihr es für möglich haltet, eine soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu erreichen bzw. zu erhalten.“

Interessante Frage.

Wobei selten definiert wird, was mit „sozialer Gerechtigkeit“ gemeint ist – oft werden die Begriffe Gerechtigkeit und Gleichheit synonym verwendet.

Und dann ist es an den Schülern ihre Vision von sozialer Gerechtigkeit zu artikulieren und herauszufinden, ob das realistisch ist. Das ist Teil der Aufgabe. Dadurch sollen Kinder den Umgang mit unterschiedlichen Wertevorstellungen lernen.

Wenn die Begriffe Gleichheit und Gerechtigkeit so oft synonym verwendet werden, könnte es einfach daran liegen, dass das für viele Menschen Synonyme sind. Menschen haben nun mal nicht alle die gleiche Gerechtigkeitsvorstellung und da braucht der Focus jetzt auch nicht dazwischengretschen und die beiden Begriffe aufgrund von eigenen Definitionen künstlich trennen.

Andere Arbeitsaufgaben sind einfach nur lächerlich: „Entwickle mithilfe des Wortspeichers einen Chat, indem du einer anderen Person erklärst, wo man ein Glätteisen für lange Haare oder einen Selfiestick kaufen kann“ oder „Sucht im Internet nach den Labels für CE, GS und VDE und skizziert sie in euer Heft.“

Sind halt Bücher für Schüler in niedrigen Klassen. Was erwartet der Focus-Autor hier?

Viel Meinung, wenig Wissen, das trifft offenbar auch für die Verfasser von manchen Schulbüchern zu.

In „Wirtschaft & Du“ werden bei den Ausgaben eines Haushaltes die Beiträge zur Sozialversicherung aufgeführt und in „Einblicke Wirtschaft“ hat Polen in einer Darstellung den Euro als Währung.

Das sind definitiv peinliche Fehler, ich sehe hier aber noch nicht inwiefern die Angabe einer falschen Währung in Polen oder andere bisher geäußerte Argumente die Eingangsthese Kinder würden indoktriniert stützt.

Leider wird in der Studie nicht untersucht, wie wirtschaftliche Alternativen zur Marktwirtschaft in den Schulbüchern dargestellt werden.

Meiner Erfahrung nach: gar nicht. Bzw. Sozialismus/Kommunismus in Geschichte in Form von „Sozialismus ist wenn Stasi existiert“.

Ich habe dazu selbst in den vergangenen 20 Monaten ein Experiment gemacht, und zwar in 30 Ländern, wo ich Vorträge gehalten habe:

Interessant.

In jedem dieser Vorträge, die ich oft vor Studenten und jungen Menschen hielt, fragte ich: „Wer von euch hat in der Schule von Maos ‚Großem Sprung nach vorne’ gehört, dem größten sozialistischen Wirtschaftsexperiment der Geschichte, bei dem zwischen 1958 und 1962 etwa 45 Millionen Chinesen starben?“

  1. Maos China war nur auf dem Papier sozialistisch. Sozialismus bezeichnet ein System, in dem die „Arbeiter die Produktionsmittel“ kontrollieren. Das kann entweder entstehen, wenn ein Staat alle Produktionsmittel besitzt und die Regierung als Vertretung der Bürger über die Produktionsmittel bestimmt (war bei Mao nicht der Fall, da er Diktator war) oder indem die Arbeiter selbst die Führungsetage des Unternehmens wählen. Auch das war nicht der Fall.

  2. „Der große Sprung nach vorne“ war nicht sozialistisch. Er hatte keine ideologische Grundlage, sondern war ein von Inkompetenz, Menschenverachtung und kalter Berechnung geprägter Versuch China zu industrialisieren. Ich wüsste keine Textzeile in irgendeinem wichtigen sozialistischen Theoriebuch (außer von Mao selbst natürlich), in dem die Ausrottung von für das Ökosystem wichtigen Tieren zum Aufbau einer neuen Gesellschaft empfohlen wird.

  3. Wieso sollte das relevant für den Geschichtsunterricht sein? China war zu dieser Zeit ein unbedeutender Agrarstaat und hatte keinen wirklichen Einfluss auf die Deutsche Geschichte. Und um vor „Sozialismus“ zu warnen wird im Geschichtsunterricht bereits von den stalinistischen Säuberungen und der Stasi berichtet, die einen viel direkteren Bezug zur deutschen Geschichte haben.

Ich fordere ja auch nicht, dass man über Thomas Sankara oder die Ermordung von Salvador Allende lehren soll.

  1. Der Punkt ist nicht so wichtig, aber mich würde interessieren, woher der Autor die Zahl der Toten nimmt. Normalerweise wird die Anzahl der Opfer auf 15-55 Millionen geschätzt. Das soll natürlich keine Rechtfertigung für irgendwas sein, jeder tote Mensch ist einer zu viel.

In allen Ländern meldeten sich nur sehr wenige Teilnehmer – ich schätze, dass 95 Prozent nie etwas davon gehört hatten.

Woher und wofür auch?

Umso mehr haben die Schüler dagegen von den vermeintlichen Übeln des Kapitalismus gehört, obwohl es dieser Wirtschaftsordnung zu verdanken ist, dass die Zahl der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, von etwa 90 Prozent (1820) auf heute unter 9 Prozent gesunken ist.

Natürlich wissen die Menschen mehr über die Nachteile des Kapitalismus. Schließlich erleben sie diese Nachteile selbst. Es ist doch auch wichtig sich der negativen Seiten eines Systems bewusst zu sein, um diese abzumildern zu können. Oder will der Autor das etwa nicht?

Die Anzahl der Menschen in extremer Armut ist nicht gesunken, weil das Markt in seiner unendlichen Großzügigkeit Milliarden Menschen spontan aus der Armut gezogen hat, sondern weil die Menschen - darunter auch die dämonischen Sozialisten - ihren Anteil an dem durch ihre Arbeit erwirtschafteten Gewinn eingefordert haben und den Staat gezwungen haben für sie einzustehen.

Außerdem ist es schlichtweg manipulativ das Ausmaß an extremer Armut von Menschen aus 1820 und 2019 zu vergleichen, weil heute deutlich mehr Wohlstand insgesamt existiert und auch die Ärmsten davon ein paar Brotkrumen abbekommen. Das liegt nicht am Kapitalismus, sondern an den liberaleren Ideen der Aufklärung und den individuellen Rechten, die den Menschen zugestanden wurden und die es ihnen erlaubten freier zu denken. Ein solcher Technologischer Fortschritt ist nicht an ein Kapitalistisches System gekoppelt, sondern kann zum Beispiel auch in Marktsozialistischen Systemen entstehen.

Ob sich diese Zahl in einem der untersuchten Schulbücher wohl findet?

In welchem Kontext sollte das erwähnt werden? Schulbücher sind dafür da Ereignisse zu analysieren und Schlüsse zu ziehen. In der Regel werden keine Epochen oder unterschiedliche Systeme (1820 herrschte in DE noch der förderalismus mit dutzenden kleinen Herzogtümern) miteinander Verglichen. Das wäre eine sehr selektive politische Einflussnahme und das wollen wir ja nicht, richtig?

Oft wird gefordert, in den Schulen solle mehr über Wirtschaft unterrichtet werden.

Nie gehört. Ich höre vor allem die Forderung, dass gezeigt werden soll, wie man eine Steuererklärung bearbeitet, aber keine Forderungen nach wirtschaftlicher Theorie. Könnte aber auch meine Bubble sein.

Ich bin da skeptisch, und die verdienstvolle Studie der Naumann-Stiftung bestärkt mich in dieser Skepsis. Ich fürchte, mehr Unterricht über Wirtschaft wäre oftmals gleichbedeutend mit mehr antikapitalistischer Indoktrination.

Ich habe bisher noch keine Indoktrination feststellen können. Außer man bezeichnet Aufklärung über faktisch bestehende Nachteile als „Indoktrination“, um die eigene Leserschaft zu indoktrinieren. Das würde ich dem Autor aber selbstverständlich niemals unterstellen.

Zudem halte ich Lehrer in den meisten Fällen für die denkbar ungeeignetsten Personen, um Wirtschaft zu unterrichten. Denn eine Lehrer-Biografie sieht in der Regel so aus: Besuch der Schule, zwischendurch einige Jahre in der Uni verbracht, dann wieder in die Schule zurückgekehrt. Einen Bezug zur Wirtschaft haben die meisten Lehrer niemals gehabt.

Muss ein Lehrer ein Unternehmen gründen, um ökonomische Theorien zu lehren?

Ich denke, es wäre wesentlich sinnvoller, jede Woche einen Unternehmer in die Schule einzuladen, der den Schülern am eigenen Beispiel von den Freuden und den Herausforderungen des Unternehmertums berichtet, um im besten Fall einigen Schülern Lust auf Selbstständigkeit zu machen und gleichzeitig kritisch zu sensibilisieren gegen die Forderung nach immer stärkerer Einmischung des Staates in die Wirtschaft.

Ah, politische Indoktrination an Schulen. Zusätzlich ein Aufzwingen von kapitalistischen „du bist nur wichtig, wenn du Geld hast“-Werten. Ne, danke.

Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe. Er hat 27 Bücher geschrieben und herausgegeben. Zudem hat Zitelmann die Master-Class „Finanzielle Freiheit“ konzipiert – ein 4-Stunden-Kurs mit umfangreichem Begleitmaterial.

Das erklärt einiges.

Ich war neugierig, wie ein Historiker zu diesem Schluss kommen kann und habe das hier in seinem Wikipedia-Eintrag gefunden:

Er ist Mitglied der FDP.

Insbesondere seine Arbeiten zum Nationalsozialismus riefen kontroverse Reaktionen hervor und wurden zum Teil der Neuen Rechten zugeordnet.

Sympathisch.

Anschließend arbeitete er bei verschiedenen konservativen Verlagen. Zunächst wurde er von 1992 bis 1993 Cheflektor der Verlage Ullstein und Propyläen und Mitglied der Geschäftsleitung. Bald darauf ging er zur Tageszeitung Die Welt, wo er die Leitung des Ressorts Geistige Welt übernahm. Zitelmann wechselte später in den Bereich Zeitgeschichte, dann in das Ressort Immobilien.

Im Jahr 2000 gründete er die Dr. ZitelmannPB.GmbH, die er 2016 verkaufte.[4] Ab 2011 veröffentlichte er mehrere Bücher über Zielsetzung, Erfolg und Finanzen. In elf Sprachen übersetzt wurde das Buch „Setze dir größere Ziele“. Zudem veröffentlichte er die Bücher Reich werden und bleiben, Worte des Erfolges und Erfolgsfaktoren im Kraftsport.

Im selben Jahr veröffentlichte er seine Autobiografie Wenn du nicht mehr brennst, starte neu!, in der er die verschiedenen Stationen seines Lebens (Historiker, Journalist, PR-Unternehmer, Investor) sowie seine Wandlung vom Maoisten zum Nationalliberalen darstellt.[11]

In seiner ersten Dissertation bemühte sich Zitelmann um den Nachweis, dass die Sozialpolitik in der Zeit des Nationalsozialismus (am bekanntesten wohl das Kulturwerk Kraft durch Freude) nicht, wie bis dahin gemeinhin angenommen, reine Propaganda zur Ruhigstellung der unterdrückten Arbeiterschaft gewesen sei.

Vielmehr sei es Hitler auch um die Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft, um die Überwindung des Klassenkampfs, um Chancengleichheit und soziale Mobilität gegangen.

„Es war ja nicht alles schlecht …“

Die Aufsätze behandeln Probleme des Diktaturvergleichs und neuere Forschungen zum Nationalsozialismus (wobei besonders die Beiträge über die Beteiligung der Bevölkerung des Baltikums an der Shoa sowie Werner Wegners Widerlegung des Leuchter-Reports hervorstechen), sind aber teilweise eher polemische Stellungnahmen zu Fragen der Vergangenheitsbewältigung.

1993 rezipierte Die Zeit eine Aussage Zitelmanns, wonach Marxismus und Faschismus „im Moment“ keine Gefahr mehr darstellten, sondern die Gefahr stattdessen vom Feminismus ausgehe: „Ich glaube, daß im radikalen Feminismus, der auch einen ‚neuen Menschen’ will und einen radikalen Egalitarismus predigt, eine erhebliche Gefahr steckt.“.

Die Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte sah in Zitelmann 1996 einen „Vordenker der intellektuellen Rechten“ und nannte seine Thesen als Beispiel für Deutungskämpfe gegen den Feminismus.[28]

Die Tageszeitung führte Zitelmann 1999 als einen der Autoren auf, die gegen Feminismus und die Frauenbewegung mobilisieren und dabei die Biologie als vermeintliche Begründung für ein geschlechtsspezifisches Rollenverhalten anführen.

Im September 1991 referierte er bei einem Wochenendseminar über den Geschichtsrevisionismus, an dem auch der Holocaustleugner Arthur Vogt teilnahm.

Netter Typ. Den würde ich auch für meine Zeitung schreieben lassen.

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    4 months ago

    Interessante Zusammenstellung, danke!

    Ist wohl auch einer der Fraktion “Sozialismus/Kommunismus ist wenn rote Fahnen”